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Interview mit Samuel Brülisauer: Die Motion zur Förderung von Social Entrepreneurship

17. Juli 2023Portraits
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Die Motion von Nationalrat Nik Gugger zur Förderung von Social Entrepreneurship wurde am 12. Juni 2023 im Nationalrat angenommen. Sie erkennt die Bedeutung von wirkungsorientiertem Wirtschaften für die Schweiz und betont, dass Social Enterprises einen wichtigen positiven Beitrag leisten für das Wohlergehen unserer Gesellschaft.

Interview mit Samuel Brülisauer, Forscher im Bereich Sozial- und Solidarökonomie

Samuel, du hast dich stark für den Vorstoss von Nik Gugger eingesetzt. Weshalb lag dir diese Motion so stark am Herzen?

Ich beschäftige mich seit Jahren mit Genossenschaften und sozialen Unternehmen, ihrer Wirkung und Herausforderungen, aber auch wie sie sinnvoll gefördert werden können. In meiner früheren Arbeit bei der UNO sammelten wir Erfahrungen von Regierungen auf der ganzen Welt, die Sozial- und Solidarökonomie bereits aktiv fördern und in ihre Strategien zur nachhaltigen Entwicklung einbinden. Als mich Nik Gugger vor zwei Jahren anfragte, ob ich ihm beim Verfassen der Motion unterstützen kann, war mir klar, dass das die Chance war, nun endlich auch in der Schweiz vorwärtszumachen.

Was fordert die Motion?

Die Motion fordert den Bundesrat dazu auf, eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, welche die Anerkennung und Förderung von sozialen Unternehmen ermöglicht. Ein solcher gesetzlicher Rahmen würde also erstmals den Begriff der sozialen Unternehmen definieren und schützen. Weiter sollen diese dann gezielt gefördert werden, etwa durch Massnahmen zur erleichterten Finanzierung, spezielle Berücksichtigung bei öffentlichen Beschaffungen oder etwa die Steuerbefreiung zweckgebundener Gewinne.

Letztlich fordert die Motion auch, dass soziale Unternehmen in die Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030 eingebunden werden. Konkret bedeutet das, dass in jedem Politikbereich die mögliche Rolle sozialer Unternehmen unter die Lupe genommen und, wenn möglich, für die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele gefördert werden soll. Wir kennen das etwa von der Wohnpolitik, wo Wohnbaugenossenschaften auch von der Politik seit langem als Instrument anerkannt werden.

Was würde sich für Social Entrepreneurs in der Schweiz verändern? Was erhoffst du dir?

Dass sich verschiedene Herausforderungen in Zukunft einfacher gestalten. Dazu gehört besonders das Finden von geeigneter Finanzierung, aber auch mehr Aufmerksamkeit von Konsumentinnen sowie privaten und öffentlichen Auftraggebern. Auch für besondere Eigentumsmodelle wie das Verantwortungseigentum ist das Schweizer Recht noch nicht gut ausgelegt – solche Schwierigkeiten sollten in Zukunft nicht mehr oder viel weniger bestehen, wenn die Motion durchkommt.

Als Nächstes wird die Motion im Ständerat diskutiert, wie stehen die Chancen?

Im Nationalrat kam die Motion mit Stimmen von SP, Grünen und GLP, vor allem aber auch der Mitte durch. Wenn die Mitglieder dieser Fraktionen auch im Ständerat wieder geschlossen für die Motion stimmen, dann könnte es auch in der kleinen Kammer zu einer knappen Mehrheit reichen. Entscheidend wird aber sein, ob Ständerät:innen aller Fraktionen sich der Wichtigkeit des Themas bewusst werden. Besonders soziale Unternehmer:innen tun also gut daran, Parlamentarier:innen aufzufordern, sich verstärkt für die Motion und soziale Unternehmen allgemein einzusetzen.

Wo steht die Schweiz mit der Förderung von sozialem Unternehmertum im Vergleich zu den umliegenden Ländern und der EU?

Ehrlich gesagt: noch nirgends. In den vergangenen Jahren haben verschiedene Länder in unserer Umgebung Massnahmen ergriffen und positive Erfahrungen gemacht. In Frankreich haben soziale Unternehmen zum Beispiel erleichterte Finanzierung durch Pensionskassen, was ein wichtiges Problem löst. Im Vereinigten Königreich gibt es seit einigen Jahren die Rechtsform der «Community Interest Company», um dem unternehmerischen Bedürfnis nach sozialer Wirkung Rechnung zu tragen. Und in Spanien hat das Thema gar derart an Fahrt aufgenommen, dass das Arbeitsministerium inzwischen «Ministerium für Arbeit und Sozialökonomie» heisst. Auch auf Ebene der EU wurde Ende 2021 ein Aktionsplan verabschiedet, um soziale Unternehmen durch gezielte Finanzierungs- und Unterstützungsmassnahmen konkret zu fördern.

Welche Bedeutung kommt Social Entrepreneurship in der zukünftigen Wirtschaft zu?

Eine hoffentlich grosse! Nein, im Ernst. Mein Eindruck ist, dass viele – gerade jüngere – Menschen, nicht mehr einfach irgendwo arbeiten oder einkaufen wollen. Viel mehr als in der Vergangenheit ist es den Leuten heute wichtig, dass Unternehmen ihre Verantwortung für soziale und Umweltprobleme wahrnehmen – und sich gar als Teil der Lösung verstehen. Viele sind bereits sehr sensibilisiert bezüglich «Greenwashing» und darum skeptisch, wenn konventionelle Unternehmen sich besonders nachhaltig gebärden. Soziale Unternehmen geniessen hier einen Vorsprung: ihr ganzes Handeln ist im Kern auf gesellschaftliche Verbesserung ausgelegt und darum glaubwürdig.

Vielen Dank für das Interview!

Hier mehr über die Motion erfahren.