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Interview mit Nik Gugger zur Motion Förderung von Sozialen Unternehmen

04. mars 2024SENS-News
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Die Bedeutung vom Sozialen Unternehmertum (Social Entrepreneurship) für eine
nachhaltige Entwicklung wurde in den letzten Jahren international betont und durch die EU
und andere europäische Länder gefördert. In der Schweiz hat Soziales Unternehmertum
trotz wachsender Aufmerksamkeit noch mit verschiedenen Hindernissen zu kämpfen. Die
Motion «Förderung von Sozialen Unternehmen» von Nik Gugger, die vom Nationalrat im Juni
2023 angenommen wurde, ist ein Schritt in Richtung Schaffung besserer
Rahmenbedingungen. Nun kommt die Motion am 11. März 2024 in den Ständerat.

Nationalrat Nik Gugger: Sie haben die Motion „Förderung Sozialer Unternehmen“
lanciert. Warum ist diese Motion wichtig?


Gesellschaftlichen Mehrwert zu leisten, ist für Social Enterprises ein diakonisches
(dienendes) & identitätsstiftendes Merkmal. Dies zeigt sich darin, dass Soziale Unternehmen
ihre positive gesellschaftliche Wirkung (ökologisch, sozial und/oder kulturell) bis in die
Statuten verankert haben. Sie existieren nur deshalb, weil sie eine Herausforderung
adressieren wollen und tun dies mit unternehmerischen Ansätzen. Darin sehe ich ein
grosses Potenzial. Dem gesellschaftlichen Mehrwert im Social Entrepreneurship muss
deshalb aus meiner Sicht in Zukunft entsprechend viel Bedeutung beigemessen werden.
Das war der Grund für die Motion.

In Europa und auch in der Schweiz tut sich so einiges rund um Social
Entrepreneurship. Auf welche Referenzen nehmen Sie Bezug?


Ein Blick über den Tellerrand zeigt, dass die Schweiz in punkto Förderung von Social
Entrepreneurship hintenansteht. Viele Länder haben die Bedeutung von Sozialen
Unternehmen für die Nachhaltige Entwicklung erkannt und mit gezielten Massnahmen
gestärkt: So etwa die UNO Resolution, die OECD Recommendation oder Social Economy
Action Plan
der EU. Gerade auch unser Nachbar Deutschland bietet spannende Lösungen
mit der neuen Strategie für soziale Innovationen und gemeinwohlorientierte Unternehmen.
Zudem finden sich in mehreren europäischen Ländern Beispiele dafür, wie auf rechtlicher
Ebene eine optimale Grundlage für Soziales Unternehmertum geschaffen werden kann.
Sowohl Frankreich wie auch Luxemburg haben mit entsprechenden Gesetzen aufgezeigt,
wie es möglich ist, soziales Unternehmertum gezielt zu fördern und damit bereits positive
Erfahrungen gemacht.

In der Schweiz wurde erst kürzlich ein neues Buch von Dr. Claude Humbel und Thimo
Wittkämper mit dem Titel «Corporate Philanthropy und Sozialunternehmertum im Schweizer
Unternehmensrecht»
publiziert. Die Autoren beschäftigen sich darin intensiv mit den
rechtlichen Lücken und Trade-offs, mit denen Sozialunternehmen in der Schweizer
Rechtsordnung konfrontiert sind. Auch aus rechtswissenschaftlicher Perspektive ist der
Handlungsbedarf für einheitliche rechtliche Rahmenbedingungen deutlich sichtbar. Das Werk
liefert zudem umfassende Reformvorschläge – von staatlichen Labels bis hin zur neuen
Rechtsform.


Mehrmals wurde die Kritik laut, der heutige rechtliche Rahmen reiche aus. Wieso
braucht es trotzdem diese Motion?


Soziale Unternehmen in der Schweiz haben ein Problem: weil sie nicht primär auf Gewinn
aus sind, sind sie für Investoren weniger attraktiv als andere Unternehmen und haben es
entsprechend schwieriger, Kapital für Innovation und Wachstum zu finden. Gleichzeitig sind
Soziale Unternehmen keine gemeinnützigen Organisationen und entsprechend ohne Vorteil
bei der Besteuerung oder der Finanzierung durch Stiftungen. Soziale Unternehmen fallen
also «zwischen Stuhl und Bank» und erfahren wirtschaftliche Nachteile, weil sie die nachhaltige Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft priorisieren. Nicht nur in Finanzierung: auch öffentliche und private Angebote zur Wirtschaftsförderung sind häufig nicht auf die besonderen Bedürfnisse aber auch Potenziale von Sozialen Unternehmen ausgerichtet. Die Beseitigung dieser Nachteile und Förderung dieses wichtigen Teils der Schweizer Wirtschaft steht im Kern der Motion.